Aus der Festschrift zur feierlichen Wiedereröffnung des Seniorenheimes nach der Sanierung am 8. Juli 1994
Die Geschichte der Heiliggeist-Stiftung Passau
Franz Mader
Im Oktober 1958 beging die Bürgerliche Heiliggeist-Stiftung in Passau ihr 600jähriges Jubiläum. Man berief sich damals auf den "Stiftungsbrief" des Urban Gundacker, der "am Freitag nach Sanct Michaeli 1358" ausgestellt wurde. Das Original dieses Briefes ist leider nicht mehr erhalten, es gibt aber mehrere glaubwürdige Abschriften aus früher Zeit, die sich im Stadtarchiv befinden. Beim genauen Lesen dieser wortreichen Urkunde wird jedoch deutlich, daß es sich hier nicht um eine Neustiftung, sondern um eine Zustiftung zu einer schon bestehenden Einrichtung handelt. Es sind auch weitere Urkunden vorhanden und auch bereits veröffentlicht1, die das Bestehen der Heiliggeist-Stiftung schon 14 Jahre vorher, nämlich am Andreastag (30. November) 1344 bestätigen, sodaß 1994, im Jahre der Wiedereröffnung des Seniorenheimes nach der grundlegenden Renovierung gleichzeitig auch das 650jährige Bestehen der Stiftung gefeiert werden kann. Die älteste, im Original erhaltene Urkunde über das Bestehen der Heiliggeist-Kirche in Passau befindet sich in den Domkapitel'schen Akten, die im Hauptstaatsarchiv München verwahrt werden2. Das Pergament berichtet auf 29 eng geschriebenen Zeilen, daß Stadtrichter Urban Gundacker in der von ihm in seinem Baumgarten in der äußeren Gasse erbauten Heiliggeist-Kirche eine Kaplaney oder Benefizium gegründet hat, das er der Betreuung durch den Pfarrer von St. Paul anvertraut und dafür 13 Pfund Passauer Pfennige gestiftet hat.
Aus dieser Urkunde geht eindeutig hervor, daß bereits am 30. November 1344 auf dem Privatgrund des Urban Gundacker eine dem Heiligen Geist geweihte Kirche bestand, die der Stadtrichter und seine Ehefrau Plektraud aus eigenen Mitteln erbauen ließen. Eine Stiftung dieser Art im späten Mittelalter schließt auch immer die Stiftung eines Spitales mit ein. Zu diesem Schluß kam Emanuel Braun in seiner ausführlichen Untersuchung der mittelalterlichen Spitalkirchen in Altbayern, wenn er schreibt: mit großer Sicherheit läßt sich jede spätgotische Heiliggeist-Kirche im vorhinein als Spitalkirche identifizieren3. Am 9. Oktober 1347, also knapp drei Jahre nach der ersten Erwähnung der Heiliggeist-Kirche, bestätigte Fürstbischof Gottfried II. von Weisseneck (1342-1362) das Vorhandensein des Spitals, das unser getreuer Urban Gundacker, zur Zeit Richter zu Passau und seine Hausfrau Plektraud zu einem ewigen Seelgerät für sich und seine Vorfahren mit ihrem Besitztum gestiftet haben. Aus dieser Urkunde geht zwar das genaue Datum der Stiftung nicht hervor, es kann aber als sicher gelten, daß Kirche und Spital gleichzeitig erbaut oder zumindest geplant worden sind, denn so wie bei anderen mittelalterlichen Spitalanlagen waren auch hier Sakral- und Profanbau "aus einem Guß". Erst spätere Veränderungen haben diese Baueinheit etwas verschleiert. Das Spital wurde für dreizehn ehrbare Männer und nicht Frauen, die um ihre Habe gekommen sind und infolge Krankheit nicht mehr zu arbeiten vermögen, wobei drei Priester unter ihnen sein sollen gestiftet. Den Priestern wurde auferlegt, in dem dabei gelegenen Gotteshaus täglich eine Messe zu halten, wenn sie es auf Grund ihrer Verpflichtungen tun können. Dazu gab es noch ein Benefizium, auf das dem Pfarrer von St. Paul das Präsentationsrecht zustand. Als erster Benefiziat wurde am 18. Januar 1346 Andreas von Urfahr, ein Sohn der Schwester des Urban Gundacker berufen.
In dem eingangs schon erwähnten "Stiftungsbrief" vom 5. Oktober 1358, wurde die nun schon 14 Jahre bestehende Einrichtung durch weitere Zustiftungen bekräftigt und auf den Tag genau ein Jahr später bestätigte Fürstbischof Gottfried neuerdings das soziale Werk4.
In staunenswert großzügiger Weise wurde in dieser Nachstiftung das Spital mit Gütern bedacht, die, hätten sich die Zeitläufe nicht immer wieder nachteilig ausgewirkt, ein sorgloses Leben für die Bewohner "auf ewige Zeiten", wie der Stifter dies wünschte, ermöglicht hätten. Hier die wichtigsten Aussagen dieser Zustiftung, die auch als Testament Gundackers angesehen werden kann. Der Stifter bestimmte, daß das Haus von einem Spitalmeister, der auch Pfleger ist, geführt werde. Dieser soll, wenn einer der 13 Männer ausscheidet oder stirbt, einen anderen an seine Statt setzen. Wir geben dem Spitalmeister das Haus gegenüber der Kapellen, in dem die Siechen liegen und dazu das hintere Haus, das an der Kapelle anstoßt5 mit dem Baumgarten daselbst und was dazu gehört. Dann wird aufgezählt, was das Stifterpaar als "Seelgerät6 zum Nutzen des Spitals" gestiftet hat: "Ewig Gülden" auf Häuser in der Stadt Passau, auf Bauerngüter in Haitzing, Schönleithen und Wippelsperg (= ehem. Kollerbauer zwischen Haitzing und Auerbach) sowie drei Baumgärten, einen Stadel, zwei Häuser im Bratfischwinkel und elf Weingärten in der Wachau, nämlich in Krems und Umgebung.
Mit den Einkünften dieser Stiftung sollte der Unterhalt der Kirche und der "Pfründner", wie man die Bewohner als Inhaber der Pfründe nannte, bestritten werden. Sie sollen auch haben einen Koch und einen Kuchelknecht und einen Knecht der ihnen wartet und dient und Bett und Tisch, heißt es; in Krankheit sollte auch eine Pflegerin zur Verfügung stehen. Festgehalten ist in diesem Stiftungsbrief auch, wann die Pfründner Kleidung erhalten und daß ihnen reichliches Essen zusteht, zu Mittag und Abend je drei Gerichte und jeweils ein Viertel Wein. Einem aus den dreizehn Bewohnern soll der Pfleger das Hausgeschäft überantworten, von dem er jederzeit Rechenschaft für sein Tun fordern könne. Und wer nicht ordentlich leben wolle und nicht friedsam wäre, den kann der Pfleger entlassen und an dessen Stelle einen anderen nehmen.
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Seniorenheim der Bürgerlichen Heiliggeist-Stiftung Passau. Festschrift zur feierlichen Wiedereröffnung des Seniorenheimes nach der Sanierung am 08. Juli 1994. Bildnachweis: Stadt Passau, Abb. 1; Franz Mader, Passau, Abb. 2, 3; Herausgeber: Stadt Passau, Redaktion: Büro für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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