800 Jahre St. Johannis-Spital-Stiftung Passau. Gegenwart und Geschichte einer sozialen Einrichtung. Aus "Der Passauer Wolf" Band 15, Schriftenreihe des Stadtarchivs Passau

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Ein Kirchenjahr in St. Johann
Leopold Kantner


Vom Hauptaltar erwähnt Linsmaier, er sei ein Baldachinaltar gewesen; aus den Angaben über die "Vorhänge", welche je nach liturgischer Farbe gewechselt wurden, kann geschlossen werden, dass es sich um einen Stoffbaldachin gehandelt hatte, wie er ja auch im Dom von Passau als Hochaltar anzutreffen war7. Hier wie dort bot diese Altarform die Möglichkeit, ein Altarbild den Festzeiten entsprechend zu wechseln. Auch die Kredenz, in Form eines kleinen Altars, spielt eine Rolle für wechselweise Aufstellung von Heiligenstatuen und Bildern. Einer der Altäre muss ein sogenannter "Ablassaltar" gewesen sein, da noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der oberen Sakristei eine Barockkartusche existierte mit der Inschrift "Altare privilegatum". Es bestanden zwei Reihen Kirchenbänke, offenbar freistehend, so dass sich am Karsamstag eine Prozession entwickeln konnte.

Die Gottesdienstordnung
Der reguläre Gottesdienst, eine stille heilige Messe, fand um 6 Uhr in der Frühe statt (diese Tradition hielt sich teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert). An Sonntagen kam noch die sogenannte "Frühlehre" hinzu, eine Kurzpredigt, die bei besonderem Anlass jedoch ausfallen musste. An sieben Tagen des Jahres wurde um 8 Uhr früh ein feierliches Hochamt gehalten: am 8. Januar, Fest des Hl. Erhard, am 3. Sonntag nach Ostern (Kirchweihfest), am 4. Mai (St. Florian), am Dreifaltigkeitsfest, am 24. Juni (Johannes d. Täufer), am 5. August (Freundschaft Christi-Fest) und am 27. Dezember (Johannes Evangelist). Die sogenannten "Quatemberämter" und Gedächtnismessen für verstorbene Wohltäter fanden um 6 Uhr oder 1/2 7 Uhr statt, hier waren alle Spitalinsassen unter Strafe verpflichtet, teilzunehmen und zu "opfern"! Für die regulären Messen war ein Stadtpfarrkooperator zuständig, für die Hochämter nennt Linsmaier immer einen "Professor Ammon"8.

Bemerkenswert groß war die Anzahl verschiedener Andachten und Rosenkränze, es ergibt sich ein buntes Bild barocker Heiligenverehrung. Linsmaier bezieht sich oft auf ein "Litaneibüchl", dabei handelt es sich um das von O. Leiner 1854 edierte Gebet- und Andachtsbuch "Lasset uns beten", Passau bei Elsässer & Waldbauer.9

Gottesdienste der Zünfte, Wallfahrten
Über die Funktion als Kirche des Spitals hinaus war St. Johann auch Heimstatt mehrerer Handwerkszünfte (Schuhmacher, Sattler, Zimmerleute) und Sammelpunkt von Wallfahrten. Für Wallfahrtszüge nach Mariahilf, welche von auswärts gekommen waren, bildete die St. Johanniskirche (neben anderen) einen Treffpunkt, von welchem aus die Prozession nach Mariahilf ihren letzten Beginn hatte; am Pfingstdienstag kamen die Wallfahrer aus Hauzenberg, am 16. Juni jene aus Aicha vorm Wald, am 29. August jene von Otterskirchen. Der Ablauf war jeweils derselbe: um 2 Uhr Nachmittag (offenbar nach einer mittäglichen Stärkung) versammelten sich die Wallfahrer in der Johanniskirche, eine kurze Andacht schloss mit einem Segen mit dem Ciborium, und zum feierlichen Auszug mussten die drei Glocken der Kirche geläutet werden. Der Mesner vergisst nicht, en detail zu spezifizieren, wieviel die Wallfahrtsleitungfürs Läuten zu bezahlen habe, nämlich 45 Kreuzer (kr), und dass er dem Dienstpersonal des Spitals, den drei "Wärterinnen" Nani, Theres und Corona, 12 kr auszubezahlen habe, "bleibt mir 33 kr", freut er sich. Auch eine Wallfahrt der Passauer nach Büchlberg nimmt ihren Ausgang in St. Johann: am 24. August ist die erste heilige Messe um 1/2 6 Uhr früh, beim Auszug wird wieder mit den drei Glocken geläutet, auch in llzstadt und Straßkirchen läuten die Glocken beim Vorüberziehen, und wenn abends um 6 Uhr diese Wallfahrt wieder in St. Johann eintrifft, wird sie wiederum von den Glocken begrüßt. Linsmaier muss viel rechnen, um alle Beträge dingfest zu machen, welche an Priester, Ministranten, Läutpersonal und Mesner zu zahlen sind!




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Die Kirche St. Johann mit der heutigen neugotischen Ausstattung; links: Blick vom südlichen Seitenschiff in die Kirche; rechts: Mittelschiff mit Hochaltar "Auferstehung Jesu"





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Literaturangaben; Schriftenreihe des Stadtarchivs Passau "Der Passauer Wolf"; Bildnachweis: Dionys Asenkerschbaumer, Passau, Abb. 1, Peter Geins, Passau, Abb. 2; Herausgegeben im Auftrag der St. Johannis-Spital-Stiftung; 2000, Stadt Passau
Unterverzeichnis:

Grußwort Dr. Franz Xaver Eder

Grußwort Willi Schmöller

Vom Spitalmeister zur
ehrenamtl. Verwaltungsrätin
Karin Trautner

Historie der
St. Johannis-Spital-Stiftung
Richard Schaffner

Das Stiftungswesen in der
Stadt Passau
Johann Hantschel
Thomas Bahle

Der forst und landwirtschaftliche
Betrieb
Reinhard Bauer

Johannes der Täufer
als Spitalpatron
Rainer Kolm

Die Orgel
Wolfgang Eisenbarth

Die Kirche St. Johann mit ihren
neugotischen Altären
Franz Mader

Ein Kirchenjahr in St. Johann
Leopold Kantner

Pflege im Wandel - vom
Mittelalter bis Heute
Dagmar Deragisch

Leben im Seniorenheim
St. Johannis-Spital-Stift
Ludwig Niederberger
Susanne Moser

Heimbewohner erzählen:
Martin Biegler u. Agnes Gugger
Dagmar Deragisch

Bestellmöglichkeit der gedruckten
Ausgabe beim Stadtarchiv Passau