800 Jahre St. Johannis-Spital-Stiftung Passau. Gegenwart und Geschichte einer sozialen Einrichtung. Aus "Der Passauer Wolf" Band 15, Schriftenreihe des Stadtarchivs Passau
Ein Kirchenjahr in St. Johann
Leopold Kantner
Kirchenmusik
16 Hochämter und Requien verzeichnet Linsmaier im Laufe des Jahres 1858/59; wer hat den musikalischen Teil besorgt? Für die Hochämter an den Festen Johannes d. Täufer, Johann Evangelist und Kirchweih weisen die Stiftsrechnungen Zahlungen an den Chorregenten der Stadtpfarrkirche St. Paul, Joseph Vilsnecker, aus, an diesen Tagen also war der Chor von St. Paul tätig; über eine eventuelle Teilnahme eines kleineren Orchesters gibt es keine Auskunft. Bei den anderen Ämtern (Quatemberamt, Erhardiamt) erwähnt Linsmaier die Bezahlung von zwei Choraiisten mit 1 Gulden 40 kr; bei dermaßen kleiner Besetzung muss man sich aber vor Augen halten, dass es noch Mitte des 20. Jahrhunderts im Dom von Passau Requiemmessen gab, bei welchen der Organist an der Chororgel spielte und zugleich der einzige Sänger war! In einer kleinen Kirche, wie St. Johann, war also eine kleine Besetzung immer noch verhältnismäßig. Der Volksgesang beschränkte sich vorwiegend auf Lieder zum sakramentalen Segen, das Lied "Heilig, heilig" taucht immer wieder in den Aufzeichnungen auf, nur in einem Nachtrag aus den sechziger Jahren notiert der Mesner: "auch,heilig' wird nicht mehr gesungen, wegen zu geringer Beteiligung am Gesang!" Das Lied "Freut euch, ihr lieben Seelen" genoss eine gewisse Beliebtheit, und Linsmaier bemerkt in einem späteren Zusatz, dass es erst in den sechziger Jahren abgekommen sei, "wegen der Indolenz des Cooperators Moosauer".
Die Heiligen wandern
Die Heiligenfeste brachten immer wieder Abwechslung auf die Altäre der Kirche, der Mesner hatte zu tun, Bilder und Statuen von einem an den anderen Ort zu verbringen. Am Hochaltar war das eigentliche Altarbild die Taufe Jesu durch Johannes Baptist10; doch am Fest des Hl. Florian kommt das Bild des Heiligen auf den Hochaltar, zu Christi Himmelfahrt ein Himmelfahrtsbild, am Fest der Hl. An-na deren Bild, am 5. August ein Bild der Hl. Familie, in den ersten Adventwochen ein Maria-Verkündigungsbild und zu den O-Andachten ein Muttergottesbild, welches mit sieben Blechspiegelleuchtern erhellt ist. Ob jeweils das ursprüngliche, fast 3 Meter hohe Altarbild nur mit Drapierungen verhängt wurde, oder jeweils abgehängt wurde, wird nicht berichtet, doch erscheint eine so oftmalige Entfernung recht beschwerlich. Viel Abwechslung gab es auch an dem Kredenzaltärchen zwischen Hochaltar und Dreifaltigkeitsaltar; "Hausherr" war dort ein Bild des Hl. Peregrinus11, sieben mal im Jahr musste er anderen Heiligen Platz machen: Sebastian, Silberne Muttergottesstatue, Blasius, Joseph, Vinzenz, Johann, Nepomuk, Erasmus, Statuen oder Bilder, sie kamen auf den "Peregrinipiatz". Am 15. August, 8. und 12. September sowie am 8. Dezember wurde die silberne Statue der Muttergottes am Dreifaltigkeitsaltar postiert. Der Apollonia-Altar erfuhr nur einmal im Jahr eine Veränderung: vom 1. Januar bis Mariae Lichtmess hatten dort die Statuen von Jesus, Maria und Joseph ihren Platz. Die Bilder und Statuen wurden jeweils reichlich mit Blumen geschmückt.
Weihnachtskrippe, Hl. Grab
"Am 1. Februar hab ich das Krippl weggeräumt", notiert Linsmaier in der Urfas-sung seiner Aufzeichnungen, ein Passus, den er sonderbarerweise in der Endfassung übergeht. Es wird nicht mitgeteilt, wo die Krippe gestanden hat, die Figuren von etwa 15 cm Höhe waren bis zur Mitte des 20. Jahr-hunderts noch im Spital aufgestellt, in der Folge kamen sie in Privatbesitz. Noch weniger teilt Linsmaier über das Hl. Grab mit, er berichtet ausführlich über die liturgischen Funktionen am Karfreitag und Karsamstag beim Hl. Grab, notiertauch, es werde nach der Auferstehung (2 Uhr nach-mittags, die Tradition blieb bis 1951 erhalten!) abgebro-chen, doch gibt er keine Hinweise über den Ort des Hl. Grabes und über dessen Struktur (Felsengrab mit Statue?)12. Mitteilsamer wird er schon bei der Auferstehungsprozession: voran geht ein Ministrant mit einer Statue des Auferstandenen, ihm folgten Bürger mit Kerzen, 2 Ministranten mit Leuchtern und Glocken, der Mesner mit dem Weihrauchfass, dann der Priester im Pluviale mit der Monstranz. Für das Hl. Grab wurden Spenden in Material gegeben: Grab-Wachs ( = Kerzen); hier scheinen als Spender Passauer Geschäftsleute auf, darunter bekannte Namen des Passauer Patriziats wie Pummerer und Steigenberger.
Der Mesner Linsmaier wollte nichts anderes, als für sich und seine Nachfolger eine Handreichung bieten, um einen würdigen Ablauf der Gottesdienste zu garantieren; mit seinem Kirchendirektorium hat er aber der Nachwelt weit mehr geschenkt: seine Aufzeichnungen geben ein lebendiges Bild von dem überraschend reichen liturgischen Leben in dieser Kirche, und sie geben einige Hinweise auf die, wie es scheint, bedeutsame barocke Einrichtung der Kirche, welche dem Fanatismus des Bischofs Hofstätter zum Opfer gefallen ist.
Leopold Kantner
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"Volto, Santo" (Heiliges Antlitz)-Nachbildung mit Entstehungslegende, Gemälde, 17. Jhd. |
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Taufe Jesu, Ölgemälde von Johann Georg Unruhe, 1760. Ehemals Hochaltarblatt in St. Johann |
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